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Kulturen der Sorge bei Demenz

Thematische Schwerpunkte

Die Ringvorlesung möchte zu einer Erweiterung der Perspektiven auf das Phänomen Demenz beitragen. Es geht darum, Demenzbetroffene nicht mehr nur als ‹Pflege-Bedürftige› wahrzunehmen, sondern als Menschen, die (wie andere auch) für sich selbst und für ihr Umfeld Sorge tragen. Im Fokus der Ringvorlesung steht deshalb die Frage, wie Menschen mit Demenz ihr eigenes Leben und das Leben von anderen Personen aktiv (mit-)gestalten.

Hintergrund der Veranstaltung ist das Forschungsprojekt «Selbstsorge bei Demenz», das derzeit von einem interdisziplinären Forschungsteam (Empirische Kulturwissenschaft und Spiritual Care) an der Universität Zürich bearbeitet wird. Projektleiter sind Prof. Dr. Harm-Peer Zimmermann und Prof. Dr. Simon Peng-Keller. Das Projekt analysiert erstens, wie das Thema Selbstsorge in demenzbezogenen Publikationen diskutiert wird, und zweitens, welche Bedeutung dieses Thema für Akteur*innen von Demenzhilfeorganisationen hat. Drittens wird die Frage der Selbstsorge bei Demenz im direkten, persönlichen Kontakt mit Betroffenen untersucht, die noch keine weit fortgeschrittenen demenziellen Beeinträchtigungen erleben: Inwiefern ist für sie eine Selbstsorge relevant und welche (unterschiedlichen) Selbstsorgepraktiken sind hier beobachtbar?

Der interdisziplinäre Zusammenhang der Ringvorlesung besteht in einem Forschungs- und Praxiskontext, der das anhaltende Person-Sein von Menschen mit Demenz betont und der besonders auf deren Subjektivität ausgerichtet ist. Zugleich möchte die Ringvorlesung zu einem Austausch zwischen wissenschaftlicher Demenzforschung, Profis der Demenzhilfe/-pflege, Demenzbetroffenen, ihren Angehörigen und einer interessierten Öffentlichkeit beitragen.

Die Beiträge der Ringvorlesung nähern sich dem Thema Selbstsorge bei Demenz aus unterschiedlichen fachlichen und inhaltlichen Richtungen an. Im Fokus stehen vier übergeordnete thematische Aspekte:

 

  1. Perspektivische Rahmungen und Alltagspraktiken
  2. Selbstvertretung und Selbsthilfe
  3. Die Bedeutung von Sprache, Erzählung und Spiritualität
  4. Die Rolle des Umfeldes

 

Damit sind sowohl theoretisch-konzeptionelle als auch praktisch-empirische Beiträge vorgesehen:

- In theoretischer Hinsicht wird gefragt: Mit welchen philosophischen, ethischen, theologischen oder anderen Ansätzen können wir über Fragen des «Selbst» und der «Selbstsorge» bei Demenz nachdenken? Was ist überhaupt unter Termini wie «Selbst» und «Selbstsorge» zu verstehen? Welche weiteren Ansätze stehen zur Verfügung? Sind etwa Begriffe wie «Selbstaktualisierung», «Selbstbestimmung», «Selbstverantwortung» oder «Agency» dafür geeignet? Welche Abgrenzungen sollten vorgenommen werden?

- In praktischer Hinsicht werden konkrete Formen der Selbstsorge bei Demenz diskutiert: Wie genau manifestiert sich diese in alltäglichen Zusammenhängen? Zu welchen Anlässen und in welchen Situationen geschieht das? Welche Ziele von Selbstsorge formulieren Menschen mit Demenz selbst? Welche individuellen und interpersonellen Auswirkungen hat Selbstsorge? Welche Rolle spielt dabei das familiäre, gemeinschaftliche und zivilgesellschaftliche Engagement? Inwiefern können Coping-Strategien, Lebensstile, spirituelle Ausrichtungen und nonverbal-leibliche Ausdrucksweisen als Formen von Selbstsorge angesehen werden?

Darüber hinaus wird die Bedeutung von soziokulturellen Kontexten und Rahmenbedingungen reflektiert. Sie können Selbstsorge bei Demenz ermöglichen, aber auch behindern: Inwiefern würdigt und stützt das familiäre, gesundheitssystemische, pflegeinstitutionelle, kommunale oder gesamt-gesellschaftliche Umfeld von Menschen mit Demenz deren Selbstsorgepraktiken und -bestrebungen? In dieser Beziehung wird der aktuelle soziokulturelle Umgang mit Demenzbetroffenen durchaus zu kritisieren sein.